Mittwoch, 22. August 2012

Don’t Bring Me Down

Diese Woche wird eher entspannt ablaufen. Es ist Prüfungswoche und die Prüfungen bestehen daraus, dass die Studenten Anamnese und Status bei zugeteilten Patienten erheben und Differentialdiagnosen stellen müssen. Damit nur ja keine Informationen nach Außen dringen (man könnte ja die Patientenakten lesen und es sich leichter machen) oder die Patienten bei der Prüfung redefaul werden, weil sie schon fünf anderen Studenten vorher Rede und Antwort stehen mussten, sind außer den Prüflingen keine Studenten erlaubt. Ich habe schon angeboten, auf die Stationen zu gehen und Informationen nach außen zu bringen (wer würde mich schon verdächtigen?) aber keiner den ich kenne hat diese Woche Prüfung…

Operationen werden diese Woche ebenfalls auf das aller Nötigste reduziert, also bleiben mir nicht viele Fälle übrig, die ich beobachten könnte. Mehr Zeit um zu lernen…

…oder meine Eindrücke des Krankensystems (oder war es Gesundheitssystem? Ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern) mit euch zu teilen:

Vor einigen Tagen haben wir in der Gruppe diverse OPs besprochen die wir gesehen haben. Unter anderem wurde ein junger Mann operiert, der ganz allein, also ohne Freunde oder Angehörige ins Krankenhaus gekommen ist, und auch keinen Besuch erwartet. Nichts Besonderes eigentlich, vor allem weil es sich um einen Studenten gehandelt hat, dessen Familie mit Sicherheit in einer anderen Stadt wohnt.
Hier ist es doch eine Besonderheit! Die Familie ist einfach ÜBERALL dabei, selbst im Bus zum verabschieden, sitzt die Tante Rosi noch bis zum Starten des Motors neben einem. Die Familien der Patienten, die eigentlich weit entfernt wohnen, schlafen sogar hier im Krankenhaus auf Bänken in den Gängen oder um das Krankenhaus herum in den Wiesen…
Wie wichtig es allerdings wirklich ist, seine Familie da zu haben, und warum meine Freunde so überrascht waren, dass dieser eine Patient niemanden an seiner Seite hat, hat mich dann aber sehr überrascht:

“Wer wird ihm Wasser bringen? Wer wird ihm helfen, wenn er auf die Toilette muss? Wer bringt ihm seine Medikamente?“

Oooooooh… nicht etwa die Pfleger, Schwester, Irgendwer?

“Nein, aber vielleicht, wenn große Not herrscht, ein Familienangehöriger eines anderen Patienten“

Mhhhhh

Ein anderes Mal haben wir uns darüber unterhalten, was ich zuhause so machen müsste, wenn ich famuliere. Ich habe einige Dinge aufgezählt, darunter auch die täglichen Blutabnahmen.

“Na das kannst du hier auch machen, wenn du willst. Man muss hier nur mit den Patienten sprechen, die müssen nämlich für die Nadeln bezahlen. Dann geht man zur Apotheke, holt die Nadeln und…“

Jaaaaaa….. ich hab mich schon gewundert wo um alles in der Welt in diesem Krankenhaus die ganz alltäglichen Materialien aufbewahrt werden. Bei uns in den Krankenhäusern stehen Rollwagerl voller Medizinklumpat einfach so in den Gängen herum.


“Wir müssen sogar dafür sorgen, dass die Patienten den Handschuh bezahlen, den wir verwenden, wenn wir z.B. Rektaluntersuchungen vornehmen“

Die Dinge laufen hier einfach anders. Aber diese Materialknappheit erklärt, warum praktisch keiner der Patienten Basislabor-Befunde in seiner Krankenakte hat. Oder gar ein EKG. Und die einzigen Infusionen die ich hier gesehen habe waren physiologische Kochsalzlösungen.

Gestern war ich mit Bini in einem neu gestalteten Bereich des Krankenhauses
“Breast Cancer Chemotherapy Unit“ der noch sehr leer steht. Bini war ganz aufgeregt, weil er sich sehr für alle Möglichen Projekte engagiert und sich bereits überlegt hat, wie er mit anderen Studenten an „Breast Cancer Awareness“ Projekten oder der Verbreitung von Informationen zum Thema Präventionsmaßnahmen arbeiten könnte.
Wir haben dann auch in einem Büroraum einsam vor sich hinarbeitend, einen Zuständigen gefunden, der uns gerne über dieses neue Angebot informiert hat.

“Einige der Medikamente die wir brauchen, gibt es in diesem Land gar nicht
Dieses und Jenes Medikament ist zu teuer, deshalb versuchen wir es zu vermeiden
Die Behandlungen werden für die Patienten sehr teuer
Präventionsmaßnahmen!? Es hat sich gezeigt, dass die nicht besonders großen Nutzen haben.“

Na dann vielen Dank für diese Informationen des Schreckens.
Bini war ziemlich zermürbt nach diesem Gespräch. Er hat sich so gefreut, dass sich endlich mal was tut und moderner wird. Er wollte mithelfen und eines der wichtigsten Themen, gerade in einem Land, wo Behandlungen teilweise unvorstellbar sind, an die Öffentlichkeit bringen. Aber seine Vorschläge sind auf taube Ohren gestoßen.
Ich frage mich, wie sie es schaffen wollen auf so manchen Medikament einfach zu verzichten. Es ist ja nicht grad so, als ob es nur eine Art von Mamma CA gäbe und man sich aussuchen könnte, welche Therapie man beginnt…

…und vielleicht ist es auch über das Ziel hinaus geschossen, eine Chemotherapie anzubieten, wenn teilweise nicht mal die einfachsten Dinge ausreichend Budget haben…?

Genug von diesem Thema

Ich habe hier ein paar Entdeckungen gemacht.

Zum Beispiel passiert es in den seltensten Fällen, dass Äthiopier zu ihrem Essen auch etwas zu Trinken bestellen. Und weil ich dann gegenüber meinen Mitinsassinnen die Vermutung aufgestellt habe, dass Äthiopier überhaupt kaum jemals etwas trinken – ich habe das eine ganze Weile beobachtet – kündigen sie mir jetzt jedes Mal an, bevor sie etwas trinken, damit ich es mit eigenen Augen sehen kann. Gut so! ;-)

Bei einer meiner Lauftouren habe ich Pinguine gesehen – in Afrika! Und sie sind geflogen!! Aber das hat mir natürlich niemand geglaubt.

Kleidung ist hier unheimlich teuer (praktisch dieselben Preise wie bei uns) und von mieser gefälschte-China-Waren-Qualität. Wenn man bedenkt dass das Einkommen eines etwas besser verdienenden hier etwa 100 USD im Monat sind (Landesdurchschnitt etwa 10 USD/ Monat) sind 20 USD für einen Pulli schon ganz schön viel…
Dafür sind schöne Herrenschuhe aus echtem Leder, regional gefertigt hier mit etwa 20 Euro
sehr günstig (wenn man für gefälschte Plastikschuhe teilweise 1000 Birr, etwa 45 Euro, zahlen muss.)


 
Die ersten 3 Bestellungen für Schuhe nehme ich gerne entgegen. Aber bitte bedenken: Größer als 43 könnt ein Problem werden, ich werds aber trotzdem gern versuchen.
(yun.lyndstroem [at] gmx.at)

Es tut mir übrigens leid, dass ich bisher auf keine Kommentare geantwortet habe. Ich kann mich nichtmal in meinen eigenen Blog einloggen (aus technischen Gründen) und habe die Kommentare bisher übersehen.

Über Mail bin ich allerdings recht einfach zu erreichen – wenn das Internet funktioniert.

So, diesmal also kaum ein relevantes Foto, nächstes Mal dafür wieder mehr!

1 Kommentar:

  1. die fliegenden Pinguine gibt es wirklich ;-)

    http://www.youtube.com/watch?v=DtFyb7NzSZM

    jetzt MÜSSEN sies Dir glauben!

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