Montag, 20. August 2012

The Worst Is Yet To Come


Viel ist passiert an diesem Wochenende...

… gemeinsam mit Fikir und Biniam (der so genannte Bini-Banana, nicht der Biniam von dem ich bereits geschrieben habe) bin ich nach Arba Minch gereist, eine Stadt mitten in den schönsten Naturkulissen. Biniam ist aus Arba Minch und wir haben uns davon einen Heimvorteil erhofft ;-)
Eingepfercht zu 70. in einem Bus für 40 Leute (ich übertreibe, aber es hat sich eben so angefühlt. Man beachte wie die Leute in den Gang hinein ragen, weil die Plätze einfach viel zu schmal sind)


sind wir erst mal drei oder vier Stunden gefahren, um dann am Busbahnhof – nach einigen Schwierigkeiten, Gebrüll, Gedeute, Gezerre und Umwegen (ich glaub Trickbetrüger hatten da etwas mit uns vor) in einen weitern Bus umzusteigen, der uns direkt nach Arba Minch bringt.

 

(Man hat uns mit einem Bajaj hier her gebracht, wir sollten auf den Bus warten. Dann ist ein Motorradfahrer gekommen und wollte Biniam mitnehmen… sehr verdächtig. Wir sind wieder zum Busbahnhof zurückgefahren)

Wir hätten um etwa 8 am Abend in Arba Minch ankommen sollen, aber daraus wurde nichts. Kurz vor Ende der Strecke – es war bereits dunkel – sind wir stehen geblieben. Um uns herum Dschungel und weitere Reisebusse. Es wurde heftig diskutiert, denn anscheinend hat ein Fluss die Straße abgeschnitten und der Bus konnte nicht passieren. Arba Minch heißt übersetzt 40 Flüsse. Hier war schon der Erste!
Plötzlich hat man uns dann gesagt wir sollen zu Fuß auf die andere Seite gehen und von dort mit einem anderen Bus fahren.
Gesagt getan. An meiner Seite waren gleich einige Männer die mir beim Weg über den mehr als Knietiefen Fluss helfen wollten. Einer wollte mich sogar Huckepack nehmen – wenn der wüsst was ich wieg. Da wären wir glatt beide im Wasser gelandet ;-)
 
 
(Bei der Rückfahrt haben wir den Fluss noch einmal passiert, diesmal war er allerdings nicht so tief und man konnte im Bus bleiben.)

Mittlerweile war es schon 9 Uhr abends, und während ich noch darüber nachgedacht habe, welche Krankheiten ich mir bei der Überquerung geholt habe, waren wir schon wieder auf dem Weg nach Arba Minch. Mit nasser Kleidung und schlammigen Füßen.

In der Nacht auf den Hauptstraßen zu fahren ist interessant, weil jeder diese Verkehrsader nutzt, die Straßen aber überhaupt nicht beleuchtet sind. Autos und Motorräder haben Lichter und nutzen diese ab und zu auch, Menschen, Schafe, Kühe und so manch andere Lebewesen haben keine Lichter. Dass es da nicht öfter zu Unfällen kommt wundert mich sehr. Vor allem weil in den meisten Fällen Überholmanöver ausgeführt werden, neben denen selbst Lucis Horn-Oma wie ein Waserl hinterm Steuer wirkt.

Aber wir sind ja dann schließlich – müde, dreckig und hungrig und lebend – im Studentenwohnheim von Arba Minch angekommen. Der Campus ist erst 4 Jahre alt und einiges ist noch im Entstehen. Mein Blog-Titel bezieht sich nicht auf die Anreise, sondern auf dieses Studentenwohnheim. Wir sind sehr herzlich von einigen StudentInnen empfangen worden und in unser Zimmer, das drei Studentinnen freundlicherweise für dieses Wochenende mit uns teilen, gebracht worden. Wir wollten nur aufs Klo, uns waschen und dann schlafen. Hier die erste Nachricht: Es gibt kein Wasser. Na gut, dann gehma halt nur aufs Klo… kein Problem, man muss dazu nur das Gebäude verlassen, einen schlammigen Hügel erklimmen, den fürchterlichen Gestank ertragen und dann in eine der mehr als provisorisch wirkenden Wellblechhütten eintreten…Licht gibt’s übrigens auch keins.
 

Wie Bitte!? Der Campus ist 4 Jahre alt und es gibt weder Klos noch Duschen noch irgend eine Art von Wasseranschluss im Wohnheim?? Und die widerlichen Baracken die dazu gedacht sind, dass man sich dort Wäscht und seine Notdurft verrichtet sind nicht mal beleuchtet??
Ich hatte es vor kurzem als Misstand bezeichnet, dass es am Hawassa Campus keine Klos im Lesesaal gibt, aber das ist ja direkt lächerlich.

Der ganze Campus ist auf lehmigem Boden errichtet, sodass man, wenn es regnet, den ganzen Dreck überall hin mitzaht. Ein Wahnsinn! Ich glaub Fikir hat das alles noch mehr getroffen als mich. Nicht nur, dass sie auf einen Klogang verzichtet hat, hat sie auch vorgeschlagen am nächsten Tag in ein Hotel zu ziehen. Ich wollte das nicht, weil ich den Studentinnen nicht das Gefühl geben wollte, dass die Umgebung in der sie wohnen müssen (Medizinstudenten sollen am Campus wohnen und haben nur 2 Wochen im Jahr Ferien, sie sind also praktisch jeden Tag im Jahr auf das Campusleben angewiesen) wär für uns nicht gut genug. (aber in Wirklichkeit möchte „kein Hund so länger leben“. Es ist einfach nur fürchterlich!)
Nicht mal Hunde leben auf diesem Campus…

Das Zimmer im Erdgeschoss war klein, mit durchsichtigen Fenstern direkt auf die Straße raus.  


Von den Viechern die hier Hausen will ich nicht reden. Das Zimmer war offensichtlich nur für 4 Leute geplant, sie habens aber trotzdem geschafft irgendwie 3 Stockbetten reinzupressen. Und die 3 Studentinnen (welch ein Luxus, sie müssen sich das Zimmer momentan nur zu 3. teilen!) haben gemeinsam einen kleinen Schreibtisch und einen 1m breiten und etwa 2m hohen Kasten, um darin ihr ganzes Leben für die nächsten 6 Jahre unter zu bringen.

Naja aber genug davon, wir haben ja eine Reise nach Arba Minch geplant, um schönes zu erleben.

Am nächsten Tag haben wir uns aufgemacht, um endlich die Nilpferde zu sehen, wegen denen ich überhaupt in den Süden Äthiopiens wollte. Um zum See zu gelangen haben wir uns ein sehr Schickes Bajaj gemietet, um Wege entlang zu fahren, die im Leben nicht für ein Bajaj gedacht waren. 


 (hier reist man mit Stil)


Zuerst haben wir uns die Krokodilfarm angeschaut. Neben dem Campus wohl der trostloseste Ort in Arba Minch, wo Krokodile in einer komplett betonierten Anlage vor sich hin liegen und ihr Dasein fristen. Dafür, dass ich das 20-fache von Einheimischen zahlen musste, hätten sie sich wenigstens Bemühen können, das ein oder andere auch auf Englisch zu erklären…
Wenn ich gewusst hätte, was mich erwartet, hätt ich mir den Eintritt überhaupt sparen können.

 


Die Fahrt zu den Nilpferden war da schon interessanter. Zuerst ein Boot gemietet, dann einen wackligen Weg auf Holzplanken und diversen Wasserpflanzen quer durch den Sumpf zum Boot gemeistert. Naja fast gemeistert, ich bin natürlich bis zum Knie in den Sumpf eingesunken ;-)



Die ersten Momente im Boot hab ich (mal wieder) damit verbracht meine Schuhe auszuziehen und meine nassen Socken auszuwringen.
Keine 5 Minuten nachdem wir losgefahren sind waren aus der Ferne schon die ersten Nilpferde zu sehen. Fotos gibt es allerdings nur von der wunderschönen Naturlandschaft, die Hippos waren einfach zu weit weg, als dass ich sie mit der Kamera gut hätte einfangen können. Einmal ist eines der Tiere vor dem Boot geflohen und man konnte die Bewegungen unter Wasser sehen – wie eine Rakete! Eine Wahnsinnsgeschwindigkeit, selbst unter Wasser! Leider hat der Bootsfahrer dann angefangen den Nilpferden hinterher zu jagen, das hat mir dann schon weh getan, wie das fliehende Tier noch zusätzlich gehetzt wird.

Hier ein paar Bilder von der Bootsfahrt:




  
Achja: Fikirs Mutter hat von all dem keine Ahnung. „Soll das ein Witz sein!? Meine Mutter glaubt wir fahren mit dem offiziellen Universitätsauto nach Arba Minch, und dass unsere Uni deren Uni kontaktiert hätte! Und nie im Leben könnt ich ihr sagen dass wir mit dem alten Boot gefahren sind um im Krokodilverseuchten Wasser die Hippos zu sehen!“

Also Eve, wenn du das liest: Ich bin mit sehr zwielichtigen Busfahrern nach Arba Minch gefahren, hab mitten in der Nacht im Dschungel einen Fluss zu Fuß überquert und bin mit einem alten Boot in einem Krokodilverseuchten See Nilpferde beobachten gefahren. Achja und ich bin in Äthiopien ;-) Und mit 15 bin ich mal nur im Bikini in die Schule gegangen weil es heiß war und die Frau Stagel hat mich dabei gesehen.
(Jetzt weißt dus ja)


Der Rest des Tages war Entspannung in den Luxusresorts, mit einem schönen Ausblick auf den Dschungel, die Berge und die Seen. Und dann halt wieder zurück in unser Lager (wirklich, in Gefängnissen siehts besser aus)

  (schicke Waschanlagen in den Luxus Resorts) 

 
 (Das Klo in unserem Lager)

 Dort hab ich erst mal meine Schuhe gewaschen…und wie ich da so beim Fenster gestanden bin um meine schönen Schuhe wieder neu erscheinen zu lassen, haben die Leute auf der Straße gestarrt und gegrinst. Irgendwann habe ich angefangen zu winken und die Leute haben sich gefreut und zurückgewinkt und gerufen. Dann bin ich mir wie die Queen vorgekommen, hab mich irgendwie blöd gefühlt und gleich wieder damit aufgehört.

Es ist wirklich komisch. Auf den Straßen in Arba Minch haben Kinder gerufen „Oh mein Gott! Ich habe gerade einen Ferenji gesehen!!“, sind mir nachgelaufen und wollte mir die Hand geben, 
   
 eine Frau hat mich wissen lassen „Ferenji, die bist schön“ und wieder andere haben gerufen „Hallo wie geht’s“. Im Bus hat eine Frau ihr Kind extra hoch gehoben, damit es einen besseren Blick auf den Ferenji hat… selbst am Campus sind die meisten Studentinnen erstaunt stehen geblieben. Eine hat sogar mit schriller Stimme irgendwas mit „Ferenji“ geschrien… mit so viel Aufmerksamkeit kann ich schwer umgehen ;-)

Am nächsten Tag (Sonntag) wollten wir uns dann die 40 Flüsse anschauen, konnten aber nur einen Teil davon sehen. Wir sind dadurch quer durch einen kleinen Abschnitt des Dschungel geklettert, der Bajaj-Fahrer immer an unserer Seite um uns (Fikir und mich, Biniam ist eh wie ein Dschungeltier von hier nach dort gesprungen) beim überqueren von schwierigen Passagen zu helfen. Man stelle sich für einen kurzen Augenblick einen Wiener Taxifahrer in der selben Situation vor ;-)


(links Biniam, rechts der Bajaj-Fahrer)

Die Landschaft war trotzdem einfach unglaublich anzusehen. Lianen, tropische Pflanzen, Affenfamilien, Warzenschweine und Unmengen an Schmetterlingen.
Nur dass wir weite Strecken mit dem Bajaj durch den Wald gefahren sind, anstatt selbst zu gehen hat mich ein wenig irritiert. Zu Fuß wäre es wohl eine noch schönere Erfahrung
gewesen. 

…Und wenn ich mich nicht alle 2 Minuten woanders hätte hinstellen müssen, um ein deppates gestelltes Foto von mir machen zu lassen, dann wär die Erfahrung vielleicht sogar NOCH besser gewesen.

 
 
Am Nachmittag waren wir dann im „Paradise Resort“ das seinem Namen alle Ehre macht. Ich habe dort in den Gärten alle Pflanzensamen die ich ergattern konnte mitgehen lassen – meine Mutter wäre so stolz auf mich gewesen, wenn sie das gesehen hätte. (Natürlich hab ich die Pflanzen auch mit der Kamera festgehalten, damit du weißt, was aus den Samen werden soll ;-))
 
Am Abend war ich doch tatsächlich in der Kirche (haben die mich doch glatt rein gelassen…) um eine traditionell Äthiopische Messe zu sehen. Die Frauen tragen dazu ein schickes weißes Tuch. (Fikir war am Sonntag auch in der Früh in der Kirche. Ich habe sie nicht weggehen sehen, aber sie ist in ihrem Nachthemd wieder zurückgekommen, was mich sehr erstaunt hat. Sie hat gesagt Frauen sollten ein Kleid für die Messe tragen und sie hätte eben kein anderes dabei gehabt…) Die Messe hat im Freien stattgefunden, mit einem Pfarrer der für diejenigen, die nur noch weit hinten ein Platz ergattern konnten, auch über Lautsprecher zu hören war. Vor der Kirche wurden Kerzen verkauft, die während den sehr fröhlichen Gesängen am Ende des Gottesdiensts angezündet werden. Ich habe meine Kerze nach einer Weile einem kleinen Mädchen gegeben. Dann hätte sich das Kind fast die Haare abgefackelt, aber zum Glück eben nur fast….
 
 
In der Zwischenzeit hat Bananenbini Kiloweise Obst für die Rückreise und unsere Mitinsassinen besorgt. Sein Vater besitzt eine Bananenplantage („aber das ist nichts besonderes, jeder der in Arba Minch wohnt hat eine Bananenplantage“) und ich hab so den Verdacht, dass sein Name irgendwie damit im Zusammenhang steht.

 … und dann wieder ins Studentenwohnheim für eine letzte schlaflose Nacht, vor unserer Rückreise nach Hawassa.

Die Fahrt war ruhig, aber begleitet von verzweifelten Rufen einer Ziege, die man als Gepäckstück aufs Dach geschnallt hatte.

Und da bin ich jetzt. Hab meine Zöpfe wieder aufgemacht, die paar Haare die mir noch geblieben sind gewaschen und den Luxus einer kalten aber sauberen Dusche im selben Gebäude genossen. Ich liebe Hawassa.


Zum Schluss noch meine Schuhgeschichte in Kurzfassung:
 
 (Beim einsteigen ins Boot. Man sieht hier meinen rechten Fuß noch auf relativ festem Boden stehen. Einer der nächsten Schritte wird ins Verderben führen, aber das weiß ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht…)
 
 
(mein rechter Schuh hat die Farbe gewechselt, sieht jetzt irgendwie besser aus als der linke, riecht aber schlechter)

(ich versuche meinen Fuß, meine Hose, meinen Socken und meinen Schuh während der Fahrt zu trocknen. Der Tag hat erst begonnen und ich werde wohl den ganzen Tag mit einem nassen Schuh herumgehen müssen)

 (Bei einem der Luxus Resorts genieße ich ein kaltes Cola…

… und mein Schuh genießt einstweilen die Aussicht)


 
 

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